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Alltagsmenschen

Die Frauengruppe der Bezirksgruppe Münster und Umgebung war am Samstag den 5. September 2020 in Rheda Wiedenbrück unterwegs. Trotz eines angekündigten Regens machten wir uns bunt beschirmt auf Entdeckungstour im sehr historischen Ortsteil Wiedenbrück. Für einen Moment hatte man den Eindruck die Zeit sei stehen geblieben. Der gesamte Ortskern des 27000 Seelen Städtchens ist in seiner Ursprünglichkeit erhalten. Wir erfahren, dass es immer noch 300 Fachwerkhäuser gibt. Kopfsteinpflastergassen gesäumt von uralten Häusern einige sogar aus dem 15. Jahrhundert. Doch der eigentliche Grund unseres Besuchs ist nicht allein die geschichtsträchtige Stadtführung, denn wir haben gehört, dass seit einiger Zeit sich eine ganze Menge Dauergäste herum treiben.

Die Alltagsmenschen von Christel Lechner sind hier auf ganz besondere Art integriert. Die Bildhauerin und Keramikmeisterin, die einen Teil ihrer Ausbildung vor fast 40 Jahren in Münster absolviert hat und somit auch in der Region Münsterland einige Freunde ihrer detailgetreuen Skulpturen hat. Auch wir kennen schon einige Werke der Künstlerin und biegen neugierig um die nächste Ecke. Da standen direkt zwei Damen im Begriff die Straße zu überqueren. Sie waren schwer bepackt mit Einkaufsbeuteln oder auch einem sogenannten Hackenporsche. Naja ihr wisst schon so ein Einkaufswägelchen. Direkt war die Begeisterung groß. Einige Schritte weiter ein älteres Ehepaar. Die kleine modische Dame in Pink und Weiß mit einem schmucken Handtäschchen schaute in das Fenster einer Boutique. Ein wenig abseits ließ ihr Mann, geduldig wartend mit den Händen auf dem Rücken, den Blick über die Gasse schweifen. Auch er war selbstverständlich modisch gekleidet. Mit einem Käppi sowie einem grobmaschigem Pullover, dessen Struktur erstaunlicherweise sehr gut tastbar war. Nun hatten sie uns in den Bann gezogen. Immer weiter entlang an kleinen Lädchen, deren Eingänge häufig mit Schnitzereien verziert waren. Vor dem Gasthaus standen Köche. Einige Meter weiter eine Gruppe tanzender Senioren, mit dem Titel „Tanze mit mir in den Morgen“. Einfach nur schön. Inzwischen ohne Regen und die außergewöhnliche Fummeltour sorgte bei den Damen für reichlich Spaß.

An jeder Biegung und auf jedem Platz, sind die wohlgeformten etwas rundlichen Skulpturen zu bestaunen. Da gab es die Sommermenschen, sie erschienen wesentlich schmaler und moderner. Diese Szene ist so jung wie die Künstlerin. Denn sie stammt von Tochter Laura Lechner. In den Feinheiten wie Rüschen, Spitze, Schmuck und den Frisuren spürt man die Liebe mit der beide Frauen jede einzelne ihrer Figuren aufwändig gestalten.

Als sich der Rundgang bald dem Ende neigte und wir den Kirchplatz überquerten gab es noch eine besonders erwähnenswerte Geschichte. Die Dichterin Luise Hensel, die lange Zeit im Schatten der Anette von Droste Hülshoffs stand, wohnte ungefähr 20 Jahre ihres sehr bewegten Lebens in Wiedenbrück.

Bevor sie im Alter von 78 Jahren in Paderborn beigesetzt wurde verbrachte sie ihre letzten Jahre bei ihrer Schülerin Pauline von Mallinckrodt, auch vielen bekannt als Gründerin der Blindendruckerei in Paderborn. Nochmals zur Erinnerung, eines der frühen Werke von Luise war – „Müde bin ich geh zur Ruh…“

So ähnlich ging es uns nach der eindrucksvollen Stadtführung auch. Und wir freuten uns auf einen gemütlichen Ausklang im Seecafé. Die selbst gebackenen Torten waren das i-Tüpfelchen eines gelungenen Tages.

(geschrieben von Dagmar Lamberts)

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