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Das Bild zeigt einen Teil der Gebäudefassade des Südbades. Fünf weiße Betonpfeiler im Abstand von 3 Metern tragen einen senkrecht wellenförmigen Dachsturz. Zwischen den Pfeilern sind getönte Glasflächen. Auf dem Flachdach ist der Name „Südbad“ angebracht.

Blinder Schwimmer testet das neue Südbad

Der Hobbyschwimmer Holger Paaschen ist vollständig erblindet und auf einen Blindenlangstock angewiesen. Daher nahm er gerne die Herausforderung an und hat das neue Südbad am Inselbogen in Münster hinsichtlich der Barrierefreiheit für Blinde getestet.

Erfahrungsbericht aus Juli 2024:

Mit der Leitlinie von der Bushaltestelle bis direkt ins Schwimmbecken. Geht das?

Vom Hauptbahnhof Münster fahre ich mit der Stadtbuslinie 4 bis zur Haltestelle „Grüner Grund“. Das Hallenbad befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nach dem Ausstieg geht es ca. 70 Meter in Fahrtrichtung über einen Gehweg an einen Grünstreifen entlang, den ich gut als Leitlinie nutzen kann. Die Fußgängerampel hinter dem Grünstreifen ist leider weder mit Blindensignalgeber, noch mit Bodenindikatoren ausgestattet. Die stark befahrene Straße kann ich somit nicht alleine überqueren.

Bereits nach einer kurzen Wartezeit hat mir ein Passant über die Straße geholfen. Nun geht es nach links, wieder in Fahrtrichtung, über den Gehweg ca. 20 Meter entlang eines Grünstreifens. Dahinter beginnt die weit auslaufende Treppe zum Hallenbad, die ich ca. 40 Meter entlang gehe, bis zum Aufmerksamkeitsfeld. Hier muss ich die Treppe mit 7 Stufen und einem Geländer nach oben. Dort angekommen folge ich ca. 20 Meter der Leitlinie aus Rippensteinen, bis zum Eingang des Hallenbades. Es wird deutlich, dass sich blinde Menschen vollkommen anders orientieren. Wir zählen Schritte, Stufen, usw. und ertasten unsere Wege nach alternativen Leitlinien wie Rasenkanten, Bordsteinkanten oder Häuserwände.

Das Leitsystem führt mich ins Gebäude, wo ich nach wenigen Metern auf ein Tastmodell stoße, an dem ich mir zunächst durch ertasten mit meinen Fingern einen guten Überblick vom Grundriss des Schwimmbads verschaffe. Es kann ja nie schaden, zu wissen wo es lang geht!

Neben dem Tastmodell befindet sich der Kassenautomat zum Lösen einer Eintrittskarte. Der Automat ist leider nicht barrierefrei, da die Bedienung nur per Touchscreen möglich ist. Was nun? “Hallo, Hallo – ist jemand hier, der helfen kann?“ OK, niemand da, also Ruhe bewahren, irgendwo muss eine Klingel sein. An dieser Stelle bin ich somit auf Hilfe angewiesen, die ich über eine Klingel neben dem Automaten, anfordere. Schnell war ein Mitarbeiter vor Ort und hat geholfen. Der ermäßigte Eintrittspreis beträgt 2,50 €. Begleitpersonen von Schwerbehinderten mit dem Merkzeichen B haben freien Eintritt. Zu beachten ist, dass der Automat nur Bargeld akzeptiert.

Anmerkung: Eine Begleitung für Personen mit Schwerbehinderung ist nicht verpflichtend, sondern lediglich eine empfohlene Option.

Ich orientiere mich dann nach rechts, ca. 3 Meter weiter über die Leitlinie, die mittig vor den beiden Drehkreuzen für den Ein- und Ausgang endet. Die Eintrittskarte muss oben auf dem Gerät gescannt werden, erst dann kann ich durch das rechte Drehkreuz gehen. Ab hier verändert sich das Leitsystem. Aus den deutlichen Rippen werden, aus hygienischen Gründen, Fliesen mit einer groben Struktur, die für mich mit meinem Blindenlangstock auch einigermaßen taktil sind. Die helle Leitlinie im dunklen Boden führt direkt bis zur Behindertenumkleidekabine, rechts, ganz am Ende des Ganges.

Die Badehose ist schnell angezogen und die Kleidung in einem der vier Spinde in der großen Umkleidekabine verstaut. Alle Spinde im Bad, sowie die Tür zur Behindertenumkleide und zur Behindertendusche/WC sind sowohl mit einer erhabenen Schrift, als auch mit der Brailleschrift versehen.

Mit einer Blindenbadekappe auf dem Kopf und dem Blindenlangstock in der Hand, geht es nach Verlassen der Umkleidekabine, weiter über die Leitlinie, geradeaus und links, direkt bis zu einer Schiebetür. Ich empfehle, keine Badeschlappen zu tragen, um im Zweifel mit dem Fuß die Leitlinie spüren zu können.

Hinter der Schiebetür befindet sich ein barrierefreier Duschbereich, mit WC und Waschbecken. Nach einer frischen Dusche verlasse ich den Raum. Die Leitlinie verläuft nach links, bis zu einer weiteren Tür, die von Hand geöffnet werden muss. Dahinter ist die Schwimmhalle mit einem großen Schwimmbecken, ein Lehrbecken und ein kleines Kinderbecken. Die relativ kleinen Aufmerksamkeitsfelder im Leitsystem deuten mir die Richtungswechsel an. Nach rechts der Leitlinie ca. 30 Meter folgen, führt mich diese direkt bis zum Treppeneinstieg ins große 25-Meter-Schwimmbecken mit 1,80 Meter Wassertiefe. Der Langstock kann am Geländer abgelegt werden, dann bewege ich mich am Handlauf entlang, die Treppenstufen hinunter bis ins Wasser und jetzt beginnt auch der aktive Badespaß.

Ich schwimme wie immer am Beckenrand entlang und berühre diesen mit jeder Schwimmbewegung, um so die Richtung zu halten. Eine Kennzeichnung ist natürlich auch im Hallenbad sehr empfehlenswert! Nach meiner Erfahrung kennen nicht alle Schwimmgäste die Bedeutung einer gelben Badekappe mit drei schwarzen Punkten. Falls jemand im Becken aus Unwissenheit über mein Schwimmverhalten meckert, erkläre ich kurzerhand die Situation. Diese Aufklärungsarbeit leiste ich gerne.

Fazit:

Es stimmt tatsächlich, eine Leitlinie führt vom Bürgersteig am Südbad direkt bis zum Schwimmbecken. Hier ist ein neues barrierefreies Bad entstanden. Schade ist jedoch, dass blinde Menschen nicht selbstständig eine Eintrittskarte lösen können. Außerdem ist es bedauerlich, dass das Südbad am Wochenende geschlossen hat, sonst würde ich gerne hin und wieder vorbeikommen.

Hoffentlich nutzen zukünftig viele blinde Menschen dieses inklusive Angebot, denn Schwimmen ist auch für Blinde ein toller Sport, macht Spaß und ist gesund!

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